Was Deutsche von den Amerikanern lernen können

In meinen bald 5 Monaten habe ich viel über die „verrückten“ Amis geschrieben und dass alle hier am Rad zu drehen scheinen. Doch selbst von den Amis können sich die Deutschen einige Scheiben abschneiden was diverse Dinge angeht.

Uniformen elimieren soziale Unterschiede.

Auch wenn viel über das amerikanische Arbeitssystem, mit seinen 7 Tage Wochen und fehlender Krankenversicherung, gemeckert wird. Was mir hier besonders gefällt sind die Arbeitsuniformen. Es gibt viele hässliche Exemplare, aber die meisten, auch diese hier im Unternehmen, sind sehr schick (es gibt Polos, Pullover, Longsleeves, blaue und weiße Hemden) und vermitteln einen gewissen Coolness-Faktor. Neben dem klaren Vorteil, dass man morgens nicht lange nach Klamotten suchen muss, steigt die Verbundenheit zum Unternehmen und das Bewusstsein für die Arbeit. Wenn ich meine Klamotten anhabe, gehöre ich dazu und verhalte mich auch anders. Speziell bei BMW hat die „Uniform“ noch den Vorteil, dass der Vorname aufgestickt ist und man so nie Verständigungsprobleme hat. „Hallo äh …“ gehört der Vergangenheit an. Das Konzept der gleichen Ebene drückt sich auch so aus, dass man vom Bandarbeiter bis zum Werksleiter jeden mit Vornamen anredet. In Deutschland undenkbar ist das hier Gang und gebe und hilft einem schnell in ein Gespräch zu finden. Klar ist es hier dann schwer Oberflächlichkeiten von persönlichen Dingen zu unterscheiden, aber in einigen Wochen hat man auch das raus.

Generelle Freundlichkeit und Optimismus

Während in Deutschland jeder erst einmal wesentlich pessimistischer an Dinge rangeht, ist das hier anderst. „The american way of life“ existiert noch und verschafft den Menschen hier eine gewisse Grundfröhlichkeit, die erst einmal ansteckend ist. Viele Freundlichkeitsfloskeln sind aufgesetzt, aber oftmals haben die Menschen oft ein Interesse an dem eigenen Befinden und freuen sich wenn man auf „How are you“ auch mal „Fine. Today is a nice day“ antwortet. In Deutschland regen wir uns zu oft über kleine Dinge maßlos auf. Hier wird das oft mit einem Schulterzucken hingenommen und „es wird schon weitergehen“. Ob das Auto am Straßenrand liegt oder der Schuldenberg exorbitant wächst. Alles ist halb so schlimm und wird oft auch mit einer gesunden Dosis Sarkasmus ausgeglichen („Meine Studiengebühren sind so hoch – aber was solls – 2027 habe ich alles abbezahlt…“)

Kunde ist König

Während in Deutschland der Kunde im laufenden Betrieb nur zu stören scheint, so steht er hier in Amerika noch im Mittelpunkt. Generell wird man überall herzlich begrüßt und nach dem Befinden gefragt. Im Restaurant bekommt man ungefragt Wasser hingestellt, oft auch kleine Snacks. Gerne geben die Bedienungen Auskunft über ihre eigenen Lieblingsessen und wenn man mal nach rekordverdächtiger Zeit sein Essen vor der Nase hat, wird man (fast schon zu oft) gefragt ob es schmeckt. Ist dies nicht der Fall kann man auch das halbaufgegessene Steak ohne Probleme zurückgeben und bekommt ein Neues. Ist der Kunde zufrieden muss man sich nicht vor schlechten Restaurantkritiken im Internet fürchten (diese zählen hier wesentlich mehr als in Deutschland).

Auch im Supermarkt ist der Kunde noch König. Ich habe oft über die „dumme“ Wal-Mart-Politik geschrieben – viele Artikel ungefragt 90 Tage zurückzunehmen. Eigentlich sollten sich Real, Media Markt und Co. da mal eine Scheibe abschneiden. Wenn ich nach einigen Wochen Gebrauch ein Gerät doch nicht benötige oder es nicht passt gebe ich es zurück. In Deutschland muss man einen triftigen Grund angeben, wenn man mehr als 14 Tagen auf der Matte steht. Hier werden Produkte auch teilweise weit nach 90 Tagen auch ohne Kassenzettel zurückgenommen (z.B. ein ein Prakti hier sein Navi 1(!) Jahr nach Kauf bei BestBuy auf Kulanz zurückgeben können) – das ist Service!

Weitere Kleinigkeiten werde ich in Deutschland vermissen. So mühe ich mich in Karlsruhe beim Aldi permanent ab, die Scangeschwindigkeit der Kassiererin mit
meiner Einräumgeschwindigkeit zu synchronisieren. Das schaffe ich oft nicht und dann stapeln sich meine Sachen um die Kasse rum. Hier im Aldi hat keiner Probleme damit, dass die Kassierin „deine“ Sachen nochmal in die Hand nimmt und in einen bereitgestellten Wagen räumt. Man stellt dann seinen leeren Wagen neben den vollen und geht. Geht alles viel schneller und ist für den Kunden sehr bequem.

Selbst die Post ist so freundlich hier, dass sie einem Post und Pakete bringt, diese aber auch mitnimmt wenn man sie in den eigenen Briefkasten legt und das Fähnchen hochmacht. Öffentliche Briefkästen würden hier als extreme Unfreundlichkeit der Post abgestempelt werden und ignoriert werden.

Leistungsbereitschaft

Auch wenn die Deutschen sicherlich kein faules Volk sind, so läd unser Sozialsystem doch ein, sich auszuruhen. Hier weiß man – „wenn ich keinen Abschluss habe muss ich unter der Brücke schlafen..“ Das beflügelt allgemein und hat alle Amis, die ich so getroffen habe, dazu gebracht horrende Kredite aufzunehmen und Praktikas in den entlegendsten Orten der USA zu machen. Wer nichts macht wird es auch zu nichts bringen. Vom Tellerwäscher zum Millionär ist immer noch ein schwerer Weg, die andere Richtung ist aber wesentlich einfacher. Geld ist in den Staaten wesentlich flüssiger. Hält man es nicht zusammen, fressen Lebensstil und Faulheit gerne mal einen Löwenanteil weg.

Umzugsbereitschaft

Für einen Amerikaner ist es selbstverständlich, dass er dort hinzieht wo er Arbeit findet. Der enorme amerikanische Erfolg von Facebook gründet sich auch auf solche Tatsache, dass ein amerikanischer Freundeskreis über gigantische Entfernungen verstreut sein kann. Der Umzugsort ist dann schnell die neue temporäre Heimat. Ein Eigenheim ist auch deshalb nur aus Holzlatten zusammengenagelt, da man es ja jederzeit wieder verkaufen möchte. Das europäische Konzept „Ich baue ein Haus und wohne dort die nächsten 60 Jahre“ ist hier nicht bekannt. Ich denke auch bei uns wird diesbezüglich bald ein Umdenken einsetzen, wenn die Verstädterung weiter zunimmt und zunehmend Landstriche veröden.

Trotzdem hängt man hier auch an seiner Heimat und freut sich natürlich auch wieder Freunde und Familie zu treffen. Das Wiedersehen ist dann aber oft ein großes Fest und verkommt nicht zu täglicher Routine. Weit weg wohnen hat auch seine Vorteile.

Weniger Verkehrsregeln sind oft mehr.

Die deutsche Verkehrsregelungswut vermisse ich hier nicht. Auch wenn hier jeder vom fehlenden Tempolimit in Deutschland schwärmt, so fährt es sich hier mit Tempolimit, aber mit weniger Verkehrsregeln, wesentlich gemütlicher. Rechts und links überholen ist kein Problem, funktioniert aber tatsächlich nur wegen dem exisitierenden Tempolimit von 60-70 Meilen/h. An der Ampel rechts abbiegen geht fast immer. Jeder cruist gemütlich durch die Gegend und ist stressfrei. Keiner Drängelt oder regt sich künstlich auf. An der Ampel wird auch mal gebremst wenn es grad gelb wird und wenn man mal zu schnell fährt – man kann immer noch den Officer aus einer Strafe rausreden (versucht das mal bei einem Blitzer…).

Grüße an Ute, die bereits die finnischen Tugenden aufgezählt hat: http://uteunterwegs.de/2011/05/was-die-deutschen-von-den-finnen-lernen-koennen/ 🙂

Zur Vollständigkeit: http://hofherr.kulando.de/post/2011/06/06/was-amerikaner-von-den-deutschen-lernen-k-nnen

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